Die teilweise verheerenden Folgen von Tropenstürmen in den USA sind ein «Trauerspiel» für die grösste Wirtschaftsnation der Welt, die über Jahrzehnte hinweg keine ausreichenden Vorsorgemassnahmen getroffen habe. Mit diesen Worten charakterisiert der Meteorologe Hartmut Grassl die jüngsten Zerstörungen durch die Hurrikane «Gustav» und «Ike» in den US-Bundesstaaten Texas und Louisiana.
Nach Auffassunng von Grassl, der in den 1990er Jahren das Weltklimaforschungsprogramm der UNO in Genf leitete, verfügen die Vereinigten Staaten über die nötigen Finanzmittel, um die Bevölkerung in den gefährdeten Küstenregionen hinreichend gegen Hurrikane der Kategorien 2 («Ike») oder 3 («Gustav») zu schützen. An fehlenden finanziellen Mitteln zur Errichtung von Dämmen oder anderen Schutzeinrichtungen kann es nach seiner Auffassung nicht liegen, wenn in den letzten Jahrzehnten immer wieder grossflächige Überschwemmungen mit zahlreichen Toten in den US-Küstengebieten zu verzeichnen waren.
Grassl rechnet vor, dass bereits ein bis zwei Promille der US-Verteidigungsausgaben, die jährlich bis zu 800 Mrd. Dollar betragen, ausreichen, um vor Ort wirksamen Sturmschutz zu betreiben. Bereits vor Jahrzehnten hätte die US-Regierung dafür sorgen müssen, dass eine Stadt wie New Orleans «nicht absäuft», wie es 2005 bei dem Hurrikan «Katrina» geschehen ist.
USA liessen Deiche «vergammeln»
Wenn Stürme dieser Art ganze Landstriche in den USA verwüsten könnten, dann sei dies, so Grassl im Gespräch mit Tagesschau Online weiter, ein Beleg dafür, dass man Schutzeinrichtungen entweder nie gebaut hat oder Deiche «vergammeln» liess.
Die Veränderungen des Klimas und die daraus folgende Häufung «massiver Wetterereignisse» werde aber nicht nur in den USA sondern weltweit verstärkte Anstrengungen zum Schutz vor Stürmen, Starkregen und Überschwemmungen erfordern, betonte Grassl während des Berliner Kongresses «Kultur des Friedens».
Naturkatastrophen werden häufiger
Auch Europa und insbesondere die Schweiz müssten sich auf immer heftigere Wettereignisse einstellen. Vor allem in den Alpenregionen wachse die Gefahr von Sturzfluten, wenn das Mittelmeer im Schnitt nur um ein halbes Grad wärmer werde und bestimmte Wetterlagen («Genua»-Tief) eintreten. Dann, so fürchtet Grassl, dürften Niederschlagsmengen von täglich 280 Liter pro Quadratmeter keine Seltenheit mehr in Gebieten sein, wo solche Starkregen-Ereignisse bisher nicht oder kaum aufgetreten sind. Dies gelte insbesondere für Regionen wie das Tessin oder angrenzende Gebiete.
Dass etwa der Wasserspiegel des Lago Maggiore ständig neue Höchststände aufweise zeigt laut Grassl «sehr deutlich, wohin die meteorologische Reise» geht. Betroffen von dieser Entwicklung seien vor allem die Verkehrswege und die Landwirte, die immer häufiger fürchten müssten, dass ihnen die «Kühe von der Weide rutschen».
Zudem müsse Europa insgesamt mit einem Anschwellen der Flüchtlingsströme aus Ländern rechnen, in denen die Klimaveränderung die Lebensgrundlage der Menschen zerstöre, ergänzt Grassl. Dies gelte insbesondere für die afrikanischen Staaten, wo Millionen von Menschen nicht zuletzt durch zunehmende Trockenheit in ihrer Existenz gefährdet seien.
Blochers Abschottungspolitik reicht nicht aus
Auf diese klimabedingten Migrantenströme nur mit Abschottungspolitik zu reagieren, wie es die SVP in der Schweiz mit ihrem Exponenten Christoph Blocher versuche, werde künftig nicht mehr ausreichen.
Es gelte vielmehr eine kluge Integrationspolitik zu betreiben wie sie etwa das deutsche Kaiserreich im 19. Jahrhundert betrieben habe, als Millionen von Polen ins Ruhrgebiet emigriert seien. Damals habe die Kohleindustrie diese Menschen nicht nur in den Bergwerken arbeiten lassen sondern auch dafür gesorgt, dass sie die deutsche Sprache erlernen konnten.
Klimaflüchtlinge müssen integriert werden
Angesichts der klimabedingten Flüchtlingsströme, die in den kommenden Jahren laut Grassl weiter anschwellen, werde eine nachhaltige Integrationspolitik dieser Art immer notwendiger.
Und dass das Klima sich weiter aufheizen werde steht für den Wissenschaftler fest. Denn die überwiegende Zahl der Klimavoraussagen, die in den letzten 15 Jahren getroffen worden seien, deuteten auf einen durchschnittlichen Anstieg der globalen Temperaturen von 1,5 bis 4 Grad hin., fügt Grassl hinzu. Diese Veränderungen seien in den nächsten Jahren auch dann nicht mehr aufzuhalten, wenn «heute sehr schnell gegengesteuert» würde.
Klimawandel ist nicht aufzuhalten
Die Klimaerwärmung bis zum Jahr 2030 «ist praktisch schon eingetütet», ergänzt der Meteorologe. Nur auf die klimatische Entwicklung in der 2. Hälfte des 21. Jahrhunderts und darüber hinaus könnten Politik, Wissenschaft, Technik, Wirtschaft und Gesellschaft noch Einfluss nehmen - dafür sei es allerdings auch «höchste Zeit».
Erste gute Ansätze seien denn auch schon erkennbar, etwa durch die regenerative Energieerzeugung (Solar-, Windstrom) oder bei der Entwicklung neuer Antriebsarten bei Kraftfahrzeugen.
(sf/halp)
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