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Vier globale (Friedens)bedrohungen
Zur Struktur des IPPNW-Kongresses
Wir leben in Zeiten zunehmender globaler und regionaler Instabilitäten. Horst-Eberhard Richter bringt dies in seiner Ankündigung zum diesjährigen Kongress „Kultur des Friedens“ auf den Punkt: „Die weltweite Orientierungskrise schreitet fort. Die Komplizenschaft von kriegerischer und terroristischer Gewalt hält an. Die Korruption im Weltwirtschafts- und Finanzsystem kennt keine Schuldigen mehr. Straf- und Läuterungsrituale an einzelnen lenken nur vom Niedergang des Ganzen ab“. Aber was sind die größten Bedrohungen, denen wir im Zeitalter der Globalisierung gegenüberstehen? Wie begegnen wir Ihnen? Diese beiden Fragen spielten bei der Planung des diesjährigen Kongresses „Kultur des Friedens“ die Hauptrolle.
Hauptgefahren für den Frieden
Nach dem 11. September wurde vor allem der internationale Terrorismus als die größte globale Bedrohung dargestellt. Schaut man jedoch nach den Wurzeln (Root Causes) heutiger Konflikte, dann lassen sich laut Oxford Research Institute vier globale Entwicklungen ausmachen, die in den nächsten Jahren zu weiteren regionalen und globalen Instabilitäten führen werden: Klimawandel, Kampf um Ressourcen, globale Militarisierung und Marginalisierung der „Weltmehrheit“. Der Kongress „Kultur des Friedens 2008“ nimmt sich dieser vier Herausforderungen an.
Vier Stränge ziehen sich durch das Kongressprogramm: Das Thema Klimawandel wird mit dem ehemaligen Leiter des UN-Weltklimaforschungsprogramm Prof. Dr. Hartmut Graßl zum ersten Mal einen prominenten Rang innerhalb der Kongressreihe einnehmen. Graßl warnte als einer der ersten Wissenschaftler vor den Gefahren des Klimawandels und gewann als Politikberater national wie international erheblichen Einfluss. Er warnt vor der sich immer weiter verschärfenden Umgerechtigkeit, die der Klimawandel in die Welt bringt. Weitere Vorträge und Workshops zu diesen Themenstrang sind: „Sicherheitsrisiko Klimawandel“, „Die Technik als Problemlöser – Innovation und Grenzen bei der Lösung des Klimaproblems“ und „Dezentrale und Erneuerbare Energien – national und international“
Der Kampf um die Ressourcen wird prominent von Neville Alexander, dem Weggefährten von Nelson Mandela thematisiert im Forum „Globalisierung und ethnische Konflikte“. Weitere Veranstaltungen behandeln das Kriegspotential der Ressource „Uran und nukleare Renaissance“ und die gegenwärtigen Konfliktherde internationaler und eben auch deutscher Kriegsbeteiligungen in Irak und Afghanistan. Ein besonderen Augenmerk legt das Kongressprogramm auf die Militarisierung der humanitären Hilfe (CIMIC) und den sogenannten “ humanitäre Interventionen“ für Freiheit, Demokratisierung im Rahmen des Kriegs gegen den Terror.
Andreas Zumach, Norman Paech werden sich u. a. mit der Globalen Militarisierung auseinandersetzen. Andreas Zumach beleuchtet in seinem Beitrag „Deutschland und die EU im Krieg“ die zunehmende Militarisierung der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik. Claudia Haydt hält einen Workshop zur Militarisierung der humanitären Hilfe und die Ärztin Nicola Kaatsch spricht über „Kinder und Krieg“. Natürlich wird in diesem Strang auch das Thema
Atomwaffen, das neue Wettrüsten und die Raketenabwehr nicht fehlen.
Das Thema Marginalisierung der Weltmehrheit geht der Kongress vor allem aus medizinischer Sicht an. Im Forum „Armut und Gesundheit“ referiert David McCpy über den alternativen Weltgesundheitsbericht „Global Health Watch“. Außerdem behandelt ein Workshop den bisher noch ungenügenden Zugang zu lebensnotwendigen Arzneimitteln für die Mehrheit der Menschen. Im Hinblick auf das WHO-Urteil „Der höchstmögliche Gesundheitszustand ist ein fundamentales Menschenrecht“ wird Gesundheit hier zur globalen Menschenrechtsfrage.
Armut und schlechte Gesundheitsversorgung bedingen sich gegenseitig und führen zu regionaler Destabilisierung. Dies zeigen der afrikanische Arzt Walter Odhiambo und der deutsche Arzt Florian Hugenberg exemplarisch am Beispiel Kenia in ihrem Workshop: „Verletzungen durch Kleinwaffen in Kenia. Wer trägt die Folgen?“.
Wege zu einer Kultur des Friedens
Doch der Kongress will nicht allein bei der Bestandsaufnahme der Friedensbedrohungen stehen bleiben. Horst-Eberhard Richter diagnostiziert hier. „All diese Zeichen einer von Carl Friedrich von Weizsäcker so genannten Krankheit Friedlosigkeit verlangen selbstkritische Krankheitseinsicht und einen solidarischen Heilungswillen.“ Man müsse „Heilungswege benennen und konstruktive Initiativen ermutigen“, so Richter.
So spricht die ehemalige Co-Präsidentin der IPPNW Mary Wynne Ashford über "Zivilgesellschaft: Die zweite Supermacht" und die Schriftstellerin Daniela Dahn stellt zehn Forderungen an eine solidarische Weltordnung vor. Der Nahost-Korrespondent Ulrich Tilgner wird mit Johan Galtung über die praktische Umsetzung der Theorie des Friedensjournalismus diskutieren und der Sozialphilosoph Oskar Negt zur Entfremdung von Politik und Bürgergesellschaft als Gefährdung der Demokratie sprechen. Neben vielen anderen Vorträgen und Workshops werden zudem neue Initiativen vorgestellt wie das Projekt „Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Mittleren und Nahen Osten“ (KSZMNO), das einen KSZE-Prozess für diese Krisenregion in Gang setzen will.
Es ist deutlich, dass all diese Lösungsansätze das Miteinander, das Solidarische betonen. Wenn wir uns für eine sichere und stabile Welt für unsere Kinder einsetzen, dürfen wir uns durch den Abgrenzungs- und Kontrollwahn des Politik des „War on Terror“ nicht anstecken lassen. „Eine Kultur des Friedens erfordert unseres Erachtens die Globalisierung der Erkenntnis, dass alle auf alle anderen in dieser Welt angewiesen sind, dass es also nur eine gemeinsame Sicherheit geben kann“, sagt Horst-Eberhard Richter. Wir möchten Sie einladen, auf dem Kongress zusammen mit den ExpertInnen an diesem Miteinander zu arbeiten – für eine solidarische Zukunft.
Sven Hessmann